Erläuterung des Genfer Urteils

Die Tauglichkeit zum Zivildienst wird nach den gleichen Kriterien beurteilt wie die Militärdiensttauglichkeit. Mit anderen Worten: Wenn Sie für den Militärdienst als untauglich erklärt werden, können Sie keinen Zivildienst leisten. In diesem Fall bleiben Ihnen nur zwei Möglichkeiten: (i) die Bezahlung der Wehrpflichtersatzabgabe; oder (ii) die Beantragung zur Zulassung zum Militärdienst mit medizinischen Einschränkungen. Der Militärdienst mit medizinischen Einschränkungen wurde in der Schweiz nach der Verurteilung der Schweiz durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Glor v. Schweiz eingeführt (siehe auch den Fall Ryser v. Schweiz).
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Allerdings gibt es für Personen, die Zivildienst leisten wollen, kein Äquivalent zum Militärdienst mit medizinischen Einschränkungen (eine Art „Zivildienst mit medizinischen Einschränkungen“). Daher werden Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen, die als untauglich gelten, in zweierlei Hinsicht diskriminiert. Erstens sind sie zur Zahlung der Wehrpflichtersatzabgabe verpflichtet und haben keine andere Alternative (was der Diskriminierung gleichkommt, für welche die Schweiz in den Fällen Glor und Ryser verurteilt wurde). Zweitens werden sie gegenüber arbeitsfähigen Menschen, die die Möglichkeit haben, Zivildienst zu leisten, diskriminiert.
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Aus diesen beiden Gründen entschied die Chambre Administrative de la Cour de Justice, dass die Erhebung einer Wehrpflichtersatzabgabe von Militärdienstverweigerern aus Gewissensgründen gegen die Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), 9 (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) und 14 (Diskriminierungsverbot) der Europäischen Menschenrechtskonvention verstösst. Es versteht sich, dass die genaue rechtliche Begründung komplexer ausfällt und es sich hierbei um eine kurze Zusammenfassung handelt. Das gesamte Urteil finden Sie unter diesem Link.